Von 100% Ökostrom über Recyclingpapier zu Wasser- und Baumpflanzprojekten
Interview: So geht Nachhaltigkeit bei der UmweltDruckerei

von GN Good News
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Gute Nachrichten aus Hannover (Deutschland) vom

Das Thema Nachhaltigkeit und Konsum beschäftigt immer mehr Menschen. Dementsprechend wollen mehr und mehr Unternehmen und Firmen ihren Teil dazu beizutragen, dass wir in vielen Jahren noch auf einem schönen Planeten leben können. dieUmweltDruckerei hat es sich zur Aufgabe gemacht, der Branche aufzuzeigen was möglich ist, wenn konsequent nach Lösungen gesucht wird, um den ökologischen Fußabdruck so gering wie möglich zu halten. Hierzu bietet uns Dr. Kevin Riemer Schadendorf von der UmweltDruckerei im Interview mit Ansgar Hufnagel spannende Einblicke.
1. Wann wurde dieUmweltDruckerei gegründet und gab es einen konkreten Anlass oder ein Erlebnis, diesen Schritt zu gehen?
Der offizielle Start der UmweltDruckerei war Ende 2009. Die Idee zu einer nachhaltigen Online-Druckerei ist jedoch schon vorher gereift, da unsere beiden Geschäftsführer aus eher konservativen Druckereifamilien stammen. Ökologische und soziale Standards spielten damals leider kaum eine Rolle. Und genau das wollten die beiden unbedingt ändern, sodass sie daraufhin dieUmweltDruckerei gründeten.

2. Wie ist es im Weiteren zu der Auseinandersetzung mit dem Thema "Nachhaltigkeit" gekommen und was waren direkte Schlussfolgerungen dazu? Zu welchen Veränderungen hat dies auch im privaten Lebensstil geführt?
Nachhaltigkeit ist fortlaufender Prozess, der einmal angestoßen stets weiter gedacht und umgesetzt werden muss. Unsere erste nachhaltige Maßnahme war einst die Papierbestellung. Statt den Kunden unnötig viele unterschiedliche Frischfaserpapiere anzubieten, beschränken wir uns auf wenige Sorten 100% Recyclingpapier und konnten damit unsere Wasser-, CO2- und Energiebilanz deutlich verbessern – vom Ressourcenschutz ganz zu schweigen.
Sämtliche Nachhaltigkeitsprozesse, die wir intern anstoßen, geben uns auch private Inspiration, nachhaltiger zu konsumieren oder zu handeln. Beispielsweise sind wir mit unserem Geschäftsbankkonto zur nachhaltigen GLS-Bank gewechselt – auch ich wechselte daraufhin zur Triodos-Bank, die vornehmlich ökologische, soziale und kulturelle Projekte fördert.
 
3. Was für Möglichkeiten gibt es in der Druckbranche tatsächlich nachhaltig zu arbeiten und welche Hürden und Vorurteile galt und gilt es dabei zu überwinden?
Die Druckbranche hat grundlegend die gleichen Herausforderungen wie andere Branchen, um nachhaltig wirtschaften zu können. Die drei gleichberechtigten Säulen der Nachhaltigkeit bilden: Ökologie, Soziales und Wirtschaft. Konventionelle Unternehmen fokussieren sich vornehmlich auf die Wirtschaft. Ökologische und soziale Folgeschäden ihres Handelns werden höchstens sekundär mit in die Unternehmensstrategie respektive Preispolitik mit aufgenommen, sodass sie preislich einen Wettbewerbsvorteil haben gegenüber nachhaltigen Unternehmen. Luftverschmutzung, Rückgang der natürlichen Ressourcen und der Verlust der Artenvielfalt sind einige ökologische Folgen dieses unternehmerischen Kalküls. Für die ökosozialen Schäden dieser konventionellen Unternehmenspolitik muss letztlich jedoch wiederum die Gemeinschaft zahlen. Es ist eine große Herausforderung für uns nachhaltige UnternehmerInnen, dieses widersprüchliche Prinzip den Kunden zu verdeutlichen. Wir müssen sie überzeugen, lieber gleich ein wenig mehr für das nachhaltige Produkt zu zahlen, als beispielsweise über Steuern für die vermeidbaren Folgeschäden aufzukommen.
 
4. Das Motto der UmweltDruckerei lautet in diesem Zusammenhang: "Vermeidung vor Reduzierung vor Kompensierung". Wie lässt sich dieser Gedanke mit wirtschaftlichen Zielen vereinbaren? Oder gibt es dabei gar keinen Widerspruch?
Die Klimaschutztrias "Vermeidung vor Reduzierung vor Kompensierung" fasst das nachhaltige Unternehmertum hinsichtlich der CO2-Emissionen prägnant zusammen. Hierbei ist die Reihenfolge entscheidend. Nehmen wir das Beispiel Energie: Wir sind nach unserer Unternehmensgründung von unserem konventionellen Kohlestrom-Anbieter auf 100% Ökostrom gewechselt. Dadurch vermeiden wir CO2-Emissionen, da wir auf regenerative Energien wie Sonne, Wind und Wasser setzen, anstatt auf fossile Energieträger. Dennoch brauchen wir natürlich Energie für unseren Druck und hinterlassen damit einen CO2-Fußabdruck. Wir konnten jedoch unsere Gesamt-CO2-Bilanz weiter reduzieren, indem wir ressourceneffiziente Öko-Produkte mit einer Top CO2-Produktbilanz produzieren. Die Kompensation, das heißt der Ausgleich von nicht vermeidbaren CO2, sollte nur ein zusätzliches Mittel sein.

Hinsichtlich der von Ihnen angesprochenen „Widersprüchlichkeit“. Hier muss ich mich ein wenig wiederholen. Unser konventionelles Wirtschaftssystem bleibt so lange per se widersprüchlich, solange es erst ökologische und soziale Schäden bewusst verursacht, um sie dann erst im Nachhinein wieder zu minimieren, anstatt sie gar nicht erst entstehen zu lassen. Letztlich ist es ein Zusammenspiel von Produktion und Konsumption. Bieten und bewerben mehr Unternehmen nachhaltige Produkte, werden sie vermehrt gekauft; und kaufen KonsumentInnen mehr nachhaltige Produkte, so werden sie auch marktgerecht von Wirtschaftsunternehmen angeboten. Es liegt also an uns allen das konventionelle Angebot- und Nachfragesystem, in einen ganzheitlich nachhaltigen Markt zu wandeln, indem wir grundsätzlich nachhaltig produzieren und konsumieren.
Wirtschaftlichkeit und Nachhaltigkeit müssen sich demnach nicht widersprechen, denn selbst einem rein gewinnorientierten Unternehmen ist es betriebswirtschaftlich letztlich völlig egal, ob es seinen Gewinn nun mit konventionellen oder nachhaltigen Produkten erzielt.
 
5. Wo sehen Sie bei der UmweltDruckerei noch am meisten Potenzial, um dem Ideal einer nachhaltigen Druckerei näher zu kommen?
Wie gesagt, es geht immer noch nachhaltiger. Obgleich wir klimaneutral mit 100% Recyclingpapier, 100% Ökostrom und Bio-Farben produzieren oder uns anderweitig soziokulturell engagieren, heißt es ja nicht, dass wir damit unsere Nachhaltigkeitsziele erreicht hätten.
Nehmen wir die „100% Ökostrom“ – das klingt erst einmal ziemlich gut, aber es geht langfristig bestimmt noch besser. Wir haben beispielsweise Solarpanele auf dem Dach unserer Verwaltung und in der Produktion, doch damit können wir leider unseren Energiebedarf nicht gänzlich decken. Schön wäre es doch, regenerative Energiequellen selbst bereitstellen zu können, die unseren Energiebedarf zu 100% decken, um energetisch quasi nachhaltig-autark produzieren zu können; oder noch besser: wir liefern ins öffentliche Netz mehr Ökostrom als wir selbst verbrauchen. Sie sehen, eine wirkliche Grenze der Nachhaltigkeit existiert nicht.
 
6. Reicht "Nachhaltigkeit" Ihrer Meinung überhaupt aus, um zukunftsfähig zu bleiben?
„Die Zukunftsfähigkeit der Menschheit im Kontext der aktuellen Nachhaltigkeitspolitik“ – das klingt nach einem schönen Thema für eine Dissertation oder Habilitation und ist in einem kurzen Interview nicht zu beantworten. Dafür ist das Thema viel zu komplex.
Denken wir einmal demografisch, bspw. an das hyperexponentielle Bevölkerungswachstum. All die neuen ErdenbewohnerInnen möchten selbstverständlich menschengerecht leben und konsumieren. Vor gut 50 Jahren hatten wir eine Bevölkerung von ca. 3,5 Milliarden Menschen; heute hat sich diese Zahl verdoppelt. Und im Jahre 2050 leben schätzungsweise knapp 10 Milliarden Menschen! Wenn man dazu bedenkt, dass eine Studie zu dem Ergebnis kommt, dass es mit unserem derzeitigen Wirtschaftssystem im Jahre 2050 mehr Plastik als Fische im Meer geben wird, frage ich mich, wie wir zukünftige Generationen ernähren wollen?
Bleiben wir beim Thema Fisch. Das Nachhaltigkeitsprinzip besagt beispielsweise, dass höchstens so viele Fische gefangen werden dürfen, wie deren Bestand sich selbst zu reproduzieren vermag. Nachhaltigkeit verlangt ferner, ein ökologisches Verpackungssystem ohne Plastik. Nachhaltigkeit bildet damit wohl lediglich die notwendige Grundvoraussetzung für zukünftige Generationen – ob es indes ausreicht, wage ich nicht zu prognostizieren.
 
7. Welche Menschen, Ereignisse, Bewegungen oder ähnliches, haben Sie auf dem Weg inspiriert?
Es gibt so viele Inspirationsquellen; man muss sie nur erkennen und daraus seine eigenen Handlungsempfehlungen ableiten.
Beispielsweise war ich letzten Sommer sehr bewegt von den WaldschützerInnen, die in Ostpolen die Abholzung des letzten europäischen Tieflandurwalds verhindern wollten. Also haben wir eine Spendenradtour von unserem Firmensitz in Hannover über das polnische Urwaldgebiet bis ins weißrussische Minsk gestartet, um auf das Thema aufmerksam zu machen und um Spenden zu sammeln.

Ein anderes Beispiel: Vor kurzem sprach mich der Geschäftsführer von natureOffice an, über die wir unsere CO2-Emissionen durch Baumpflanzungen kompensieren. In der Projektregion im westafrikanischen Togo herrscht derzeit eine akute Trinkwassernot, da die dortigen Brunnen außerhalb der Regenzeit austrocknen. Er präsentierte uns eine Lösung mit Wasserfiltern, die der Bevölkerung in der Region einen menschengerechten Zugang zu Trinkwasser ermöglicht. Das Team der UmweltDruckerei war sofort begeistert von dem Konzept, sodass wir nun zwei Wasserfilter spenden und diese Anfang August gemeinsam im Togo aufbauen und in Betrieb nehmen.
 
8. Was braucht es, damit die Krise der Welt, wie ich Sie nenne, überwunden wird?
Wenn man Populismus definiert respektive darauf reduziert, auf eine äußerst komplexe Frage eine vermeintlich einfache Antwort zu haben, möchte ich mich persönlich nicht dazu verleiten lassen – auch wenn eine populistische Politikrhetorik in den USA und nunmehr leider auch in Europa an der Tagesordnung zu sein scheint. Daher möchte ich nur ein kleines Beispiel anführen, mit dem ich lediglich den Status quo des alltäglichen Lebens und Wirtschaftens beschreibe.

Nehmen wir zwei große Sektoren, die es unbedingt im Kontext des Klimawandels nachhaltig zu gestalten gilt: den Mobilitäts- und Energiesektor. Stellvertretend nehmen wir das weltweit beliebteste Fortbewegungsmittel: das Auto. Ich möchte nunmehr eine kurze Beschreibung liefern und Sie urteilen am besten selbst, an welcher Stelle Sie es möglicherweise für ineffizient, unverantwortlich oder zumindest für wenig zukunftsfähig resp. nachhaltig halten:

Das Auto besteht überwiegend aus Stahl, für dessen Herstellung sehr viel Energie verbraucht wird. Die notwendige Energie wird, je nach Herstellerland, überwiegend durch subventionierte Energieträger wie Stein- oder Braunkohle und Gas sowie Atomenergie geliefert. Theoretisch könnten 4-5 Personen, je nach Sitzzahl, mit dem Auto befördert werden. Im Privatbereich liegt der durchschnittliche Besetzungsgrad bei 1,5 Sitzen; geschäftlich werden gerade einmal 1,1 Sitze besetzt. Ein durchschnittlicher Mensch wiegt in etwa 75 kg. Das hergestellte Auto wiegt rund eine Tonne. Ein trendiger SUV bringt gar 2,5 Tonnen auf die Straße, sodass es zusätzlich zu dem kostenintensiven Straßenverschleiß beiträgt. Um diesen 75 kg schweren Menschen von A nach B zu befördern, wird nunmehr das tonnenschwere Gefährt mit fossilen Energieträgern betankt. Das notwendige Mineralöl für Diesel und Benzin wird tief aus der Erde befördert. Bei der globalen Förderung, Weiterverarbeitung und dem Transport entstehen Feinstaub und Treibhausgase, die im Idealfall nur zur Luftverschmutzung und zum Klimawandel beitragen. Etwaige Umweltkatastrophen durch Bohrinsel-, Pipeline- oder Tankerunglücke sind zwar die Regel, aber eher selten. Ist das Auto mit diesem fossilen Treibstoff befüllt, kann die Fahrt beginnen und auch das Auto selbst trägt nunmehr direkt zur Luftverschmutzung, zum Klimawandel sowie mittelbar und unmittelbar zur Belastung des Gesundheitssystems bei. Doch die Fahrt endet durchschnittlich bereits nach etwa 15 km. Dann steht das Auto nämlich auf seinem Parkplatz – stolze 96,5% des Tages. Alleine in Deutschland blockieren 64 Millionen zugelassene Fahrzeuge somit 23 Stunden am Tag wertvolle Flächen für nachhaltige Zwecke.
Diese kurze Veranschaulichung ließe sich weiter fortsetzen, doch ich hoffe, ein jeder findet hier ein paar Ansätze, die im Sinne des Allgemeinwohls nachhaltiger gestaltet werden könnten.
 
9. Was macht Ihnen Hoffnung in Bezug auf die Zukunft?
Unser heutiger Konsum schwankt zwischen Widerstand und Widerspruch. Hier nehme ich mich natürlich nicht aus. Auf einer privaten Flugreise bestellte ich beispielsweise brav vorab ein vegetarisches Gericht und echauffierte mich über meinen Sitznachbarn, der eine 0,2 Liter Cola-Dose unnötigerweise in einen Plastikbecher goss, um die überzuckerte Lösung dann wiederum mit einem Plastikhalm zu trinken. Meine vermeintlich moralische Überlegenheit ist jedoch nur marginal, denn wir beide sitzen nun mal in einem CO2-emittierenden Flugzeug; unsere beiden Umweltbilanzen sind durch den Flug ohnehin in etwa gleich miserabel – vegetarisch hin, Plastikmüll her. Dass ich meine Flüge grundsätzlich kompensiere, gibt mir zwar zumindest rechnerisch das Gefühl, nachhaltiger gehandelt zu haben, dennoch bin ich de facto mitverantwortlich für die Transportemissionen.

Man sollte sich also stets genau hinterfragen: Was kann ich für die Umwelt leisten? In diesem Sinne freue ich mich, wenn Menschen vom Auto auf ihr Fahrrad wechseln oder den Zug nehmen statt dem Flugzeug. Es ist ermutigend zu sehen, dass immer mehr KonsumentInnen versuchen auf Fleisch und unnötigen Plastik-Verpackungsmüll zu verzichten oder auf Ökostrom wechseln. Wer noch Inspiration benötigt, kann ja mal bei unseren Top 10 vorbeischauen – hier findet sich für jeden etwas, um unseren Planeten ein wenig nachhaltiger zu gestalten.

Hier ist ein kurzer Trailer und das Team der UmweltDruckerei im Bild zusehen:

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