Die Marmeladen-Geschichte -  Verhaltensmuster erkennen und auflösen
Bild: Cover des Buches Vertrauen ist der Schlüssel (Kerstin Werner) / Illustration von Ulrike Hirsch

Kurzgeschichte
Die Marmeladen-Geschichte - Verhaltensmuster erkennen und auflösen

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Gute Nachrichten vom

Manchmal sind es die Fragen der Kinder, die unser Innenleben auf den Kopf stellen. Nur weil immer etwas so gemacht wurde, heißt das nicht, dass es ungefragt übernommen werden muss. So auch in dieser Geschichte, die übrigens exakt so passiert ist.
 

Die Marmeladen-Geschichte


Sabine war 5 Jahre alt. Sie saß mit ihren Eltern am Tisch, es gab Abendbrot.
„Mama, darf ich heute ein Marmeladenbrot essen?“, fragte Sabine mit erwartungsvollen Augen.
„Nein, abends gibt es nichts Süßes, das weißt du doch!“
Ja, Süßes war vor dem Schlafengehen tabu. Keiner wusste wieso, es war halt schon immer so. Da war Sabines Mutter auch ganz streng. Und so aß Sabine, wie jeden Abend, Wurst und Käse auf ihrem Brot.
 

35 Jahre später

Sabine war 42 Jahre alt. Sie saß mit ihren Kindern am Tisch, es gab Abendbrot.
„Mama, darf ich heute ein Marmeladenbrot essen?“, fragte Nina, die jüngste Tochter, mit erwartungsvollen Augen.
„Nein, mein Kind, abends gibt es nichts Süßes, das weißt du doch!“
Ja, Süßes war vor dem Schlafengehen tabu. Keiner wusste wieso, es war halt schon immer so. Da war Sabine auch ganz streng. Aber Nina gab sich nicht zufrieden.
„Wer sagt eigentlich, dass es abends nichts Süßes geben darf? Bei meiner Freundin Beate ist das anders. Da dürfen wir Kakao trinken und sogar Nutella aufs Brot schmieren.“
Die Mutter war irritiert. Um ihre Tochter fürs Erste zufriedenzustellen, sagte sie schnippisch: „ICH sage das und darüber wird auch nun nicht diskutiert!“
 
Aber die Frage arbeitete in Sabine. Ja, wer sagte denn eigentlich, dass abends nichts Süßes gegessen werden darf? Sie ging mit dieser Frage ins Bett und wachte morgens damit auf. Ihre Gedanken kreisten nur noch darum. Ihr fiel noch viel mehr ein, was sie tat, weil es immer so getan wurde. Ohne zu hinterfragen. Ihr Leben war völlig durchgeplant. Es gab keine großartigen Veränderungen. Ihre Termine standen Woche für Woche fest.
 
Ihre Tochter hatte zwar nur diese eine Frage gestellt, aber die gab Sabine heftig zu denken. Sabine wurde plötzlich bewusst, dass ihr Leben absolut durchorganisiert war. Teils selbst gewollt, aber teilweise auch starr und unflexibel von anderen Stimmen derart geprägt, dass es sie innerlich förmlich zerriss. Aber das Meiste davon lief völlig unbewusst ab. Jetzt bekam sie gerade eine Ahnung davon, warum sie eine chronische Unzufriedenheit spürte, die sie jedoch nie in Worte fassen konnte. Sie fühlte sich oft leer und ausgelaugt ohne für sie ersichtliche Gründe.
 
Sie folgte Stimmen, die gar nicht ihre eigenen waren. Und das Abendessen war nur ein kleines Beispiel von vielen. Wie gerne hätte sie selbst auch mal abends etwas Süßes auf dem Brot gegessen, aber irgendwas war da, was es ihr verbot. Und genau dieses „irgendwas“, das wollte sie nun herausfinden. Sie erinnerte sich an ihre Kindheit. Ihre Mutter hatte immer zu ihr gesagt: „Vor dem Schlafengehen gibt es nichts Süßes!“, und genau das war es, was Sabine ständig hörte. Innerlich. Unbewusst. Und selbst ihre Mutter hatte es wahrscheinlich von ihrer Mutter so übernommen.
 
So, wie viele Verhaltensmuster wurde auch dieses ungefragt integriert und weiter gereicht. Aber nun war es im Bewusstsein. Sabine war klar, dass auch ihre Tochter das Verhaltensmuster noch weiterlebt, wenn sie es jetzt nicht unterbricht. Und so traf sie für sich eine Entscheidung.
Eine Woche später … alle saßen am Abendtisch. Sabine hatte das noch geschlossene Marmeladenglas provokant mitten auf den Tisch gestellt. Es bemerkte niemand, bis Sabine es in die Hand nahm. Sie öffnete es, strich sich fett Marmelade aufs Brot und alle guckten sie entgeistert an.
 
„MAMA!!!“, sagte Nina ganz entsetzt.
Aber Sabine guckte nur grinsend in die Runde.
„Was glaubt ihr, wieso ich das jetzt mache?“, fragte sie.
„Weil du Lust auf ein Marmeladenbrot hast?“, grinste Nina mit.
„Ja genau“, antwortete die Mutter und dachte: Kinder sind ein Geschenk des Himmels und der beste Spiegel überhaupt. Danke!
 

Diese Kurzgeschichte ist aus folgendem Buch:

Cover des Buches Angstbiene Tobi: Heldenhaft mutig (Duftbuch)

'Vertrauen ist der Schlüssel" von Kerstin Werner

Autorin Kerstin Werner
Verlag Selfpublishing
ISBN

1490515038

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