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Den letzten Weg in Würde gehen. Ein neuer Weg in der Sterbebegleitung - Buchrezension

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Gute Nachrichten vom

Henry Fersko-Weiss schildert im Vorwort, wie unsere „kollektive Todesangst“ und die damit verbundenen Abwehrstrategien häufig zu Folge haben, dass Menschen bei der Diagnose einer tödlichen Krankheit sich völlig unvorbereitet an trügerische Hoffnungen klammern. Mit seinem Buch möchte er diese „Kruste des Leugnens und Ausweichens, die uns keine direkte Auseinandersetzung mit dem Tod erlaubt“ aufbrechen. Das klingt fast ein bisschen gewaltsam – dabei handelt es sich um ein so liebevolles, zärtliches und wunderschön gestaltetes Buch!
Und was der Autor aus seinem Erfahrungsschatz im Umgang mit Sterbenden und ihren Angehörigen anbietet, kann für jede*n von uns nur bereichernd sein:
Nach dem Sinn des Lebens zu fragen und aus den Antworten bleibende Erinnerungen zu schaffen. Oder Rituale zu entwickeln, die für die Zeit des Sterbens für alle Beteiligten hilfreich sind.
Der Autor hat für diesen Weg der Sterbebegleitung die Doula-Arbeit erweitert. Ursprünglich bietet ein*e Doula werdenden Eltern Unterstützung im Prozess der Geburt eines Kindes an. Vielleicht fühlt sich die Beschreibung dieser Doula-Arbeit mit Sterbenden und ihren Angehörigen deshalb so stärkend und lebendig an. Weil sie aus dem Wissen entwickelt wurde, dass Geburt und Tod Übergänge sind, die einiges gemeinsam haben.
„Bei einer tödlichen Krankheit sieht man nicht nur dem Ende des eigenen Lebens entgegen, sondern erlebt auch den schleichenden Verlust von Identität, Selbständigkeit, Funktionsfähigkeit und Kontrolle. Die Verluste summieren sich, man fühlt sich zunehmend eingeschränkt und reduziert.“ (S. 30)
Hier ist es hilfreich, sich zu fragen, welche Bedürfnisse spüre ich, wie möchte ich meine letzte Lebenszeit gestalten. Wo möchte ich sterben, welche Menschen möchte ich um mich haben. Sich zu fragen, was gibt meinem Leben Sinn und Halt. Was davon kann ich nutzen, um mich auf dem letzten Weg zu stärken.
Die Fallbeispiele im Buch machen anschaulich, wie kleine Veränderungen viel Erleichterungen bringen können. Etwa ein Bett wenige Zentimeter zu verschieben, so dass der Sterbende einen bestimmten Ausblick genießen kann, etwa auf den Himmel oder in den geliebten Garten.
Doulas lernen, offene Fragen zu stellen, um wirklich zu begreifen, was im gegenwärtigen Augenblick wichtig ist. Oder auszuhalten, dass es keine schnellen Antworten auf manche Fragen oder zur Lösung von anstehenden Konflikten gibt. Der Autor beschreibt, wie er sich im Kontakt mit Sterbenden und Angehörigen darin übt, innezuhalten und auf seine Intuition zu hören. Oft entsteht dann so etwas wie ein „heiliger Raum“, wo sich ungeahnte Lösungen entwickeln. Die Frage nach dem Lebenssinn erscheint dann immer wieder als Hilfe, neben dem Verlust auch Kraftquellen wahrzunehmen und zu nutzen. Sehr berührend finde ich auch die Beispiele, in denen Sterbende, manchmal auch gemeinsam mit ihren Angehörigen, auf kreative Weise ein Vermächtnis entwickeln. Ein Video erstellen, in dem sie den Nachkommen davon erzählen, was ihnen wichtig ist im Leben. Oder eine Art Schriftrolle gestalten mit Texten und Bildern. Oder auch die Angehörigen um ein kleines Ritual bitten. So merkte beispielsweise eine sterbende Frau, dass es für sie im Leben entscheidend war, anzunehmen was ist, in einer Haltung von Dankbarkeit. Und sie ließ sie einen Lehnstuhl vor ihr Zimmer stellen, bat Besucher*innen mit einem Schild am Stuhl, bevor sie zu ihr kamen, einen Moment innezuhalten und nachzuspüren, wofür sie dankbar seien. Man kann sich vorstellen, wie das die Qualität der Begegnungen im Zimmer der Sterbenden bereichert hat!
Zur Arbeit der Doulas gehört neben der Sterbebegleitung und der Sterbewache (wenn schon Anzeichen des nahen Todes deutlich sind) auch die Trauerbegleitung der Angehörigen. „Es kommt vor, dass Angehörige die schönen und liebevollen Augenblicke in der Zeit der Sterbewachen nicht bewusst aufnehmen und behalten. Dann geben die Doulas der Familie diese Augenblicke zurück, damit sie… die eher schmerzlichen Augenblicke ausgleichen können. Vielfach sind solche berührenden Augenblicke später die kostbarsten Erinnerungen.“ (S. 210)
Außerdem sind im Buch Rituale beschrieben, die helfen, die Erlebnisse zu verarbeiten und die Verbindung zum Verstorbenen deutlicher zu spüren und zu pflegen. So wird beispielsweise beschrieben, wie Angehörige nach dem Tod zusammenkamen und sich gegenseitig Geschichten vorlasen, in denen sie von Erinnerungen mit dem Verstorbenen berichteten, die ihnen besonders wertvoll waren. Und zum Ende der Trauerbegleitung wurden diese Zettel dann mit in die Urne gegeben.
Henry Fersko-Weiss wird als Pionier der Sterbebegleitung bezeichnet. Ich empfehle sein Buch für jede Frau und jeden Mann. Gönnen Sie es sich mit dieser Lektüre, die eigene Endlichkeit anzuschauen. Im Buch finden Sie viele Anregungen, wenn Sie sich fragen, was Sie (als Sterbende*r oder als Angehörige*r) brauchen, um eine würdevolle und sinnerfüllte Zeit zu gestalten. Dieses Buch bietet so viel mehr als Hilfen zur Sterbebegleitung. Es gibt vielen Anregungen, wie wir eine Kultur des Abschiednehmens entwickeln können, aus unserer Verbundenheit miteinander, die auch über den Tod hinaus besteht.
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