- Buchrezension
- Das Unwillkommene willkommen heißen: Mit offenem Herzen Traumata und Ängste überwinden. - Buchrezension
Das Unwillkommene willkommen heißen: Mit offenem Herzen Traumata und Ängste überwinden. - Buchrezension
Gute Nachrichten vom
Pema Chödrön gehört zu den westlichen buddhistischen Lehrerinnen, die es auf faszinierende Weise verstehen, diese mir oft fremdartigen Inhalte verständlich zu machen und damit auch anzuregen, sich auf entsprechende Übungen einzulassen. Ihre natürliche, erfrischende Art, manchmal wenig rühmliche Beispiele aus ihrem eigenen Leben mit viel Humor zu erzählen, schafft Verbindung und Augenhöhe. Ihre Bücher wirken auf mich sehr wohltuend und ermutigend. Im vorliegenden Band sind auch Auszüge aus anderen Werken von ihr enthalten, trotzdem fügt sich alles harmonisch zusammen. Und wer gleich beginnen möchte, findet am Ende des Buches entsprechende Übungen.
Warum sollten wir das Unwillkommene willkommen heißen? „Unser Ziel ist es, Herz und Geist vollständig zu erwecken, nicht nur, damit es uns selbst besser geht, sondern auch, um das Wohl anderer Lebewesen zu fördern und ihnen Trost und Weisheit zu vermitteln… Bodhichitta, das Herz des Erwachens, beginnt mit dem Wunsch, frei von allem zu sein, was uns daran hindert, anderen zu helfen. Wir sehnen uns danach, verwirrte Gedanken und Gewohnheitsmuster, die unser grundlegendes Gutsein verdecken, loszuwerden.“ Es geht also darum, „zu werden, wie wir sind,“ zu unserer wirklichen Natur zu erwachen.
Pema Chödrön beschreibt, dass unser Ego Sicherheit sucht, es möchte Unwillkommenes oder Vergängliches kontrollieren. So bringen wir das Fließende zum Erstarren. Mit dem Preis, dass wir nicht mehr spüren, dass alle Dinge von Natur aus lebendig sind. Und wir fühlen uns unzufrieden, ruhelos und bedroht. Die Alternative aus der buddhistischen Lehre: Uns darin zu üben, „die rohe Verletzlichkeit im Herzen“ zu halten. „Durch diese Praxis können wir unser Nervensystem schließlich daran gewöhnen, sich mit der Wahrheit mit der vergänglichen, unkontrollierbaren Natur der Dinge zu entspannen. Wir können langsam unsere Fähigkeit steigern, weiter zu werden statt enger, loszulassen statt festzuhalten.“ Auf diese Weise lernen wir, die veränderliche Natur der Dinge wahrzunehmen. Um schließlich auch zu merken, dass auch belastende, unangenehme Gefühle sich ständig wandeln. Wenn wir uns unserer Verletzlichkeit stellen, dann öffnet sich in uns ein neuer „Raum, in dem der beste Teil unserer Selbst zutage tritt. Unser Mut, unsere Freundlichkeit, unsere Fähigkeit, für andere da zu sein und auf sie zuzugehen – unsere besten menschlichen Eigenschaften entspringen diesem Raum… (dann) können wir die Erfahrung machen, dass Herz und Geist so weit werden wie das Universum.“
Es macht keinen Sinn, „an etwas festzuhalten, das sich ständig ändert.“ Wenn wir uns gegen die Realität sträuben, schneiden wir uns selbst von unserer Lebendigkeit ab.
Die Verfasserin zeigt dann Übungen, mit denen es gelingen kann, alle Aspekte unserer selbst vollständig anzunehmen. Mit dem „Weg des Nichtablehnens“ auch unerwünschte Gefühle anzunehmen, anstatt sie loswerden zu wollen. Sie zitiert Trungpa Rinpoche: „…als wärst du der Himmel, der zulasst, dass alle Wolken ihn durchziehen, ohne irgendetwas abzulehnen, was in diesem Raum entsteht.“ Sie zeigt auf, dass wir dadurch die Verbindung zu anderen Menschen stärken können. Denn durch diese Übungen werden wir auch für das Leid anderer offen und wir spüren, dass es „in Wirklichkeit keinen Unterschied zwischen unserem Schmerz und dem der anderen gibt. Das ist „der Schlüssel für einen herzlichen, liebevollen Umgang mit uns selbst und anderen.“ Dann werden wir merken: „Alle existierenden Fehler sind ein Teil von uns. Sie heilen von selbst, wenn wir sie so annehmen, wie sie sind. Sie können Dünger für unser inneres Wachstum sein. Sie zu erkennen, ohne sie zu leugnen oder um sie herum zu larvieren (Anam Thubten).“
Dieser Weg braucht Mut, wirklich zu fühlen, was man fühlt, nicht auszuweichen, die eigene Verletzlichkeit auszuhalten. Gleichzeitig werden wir dabei resilienter, es fällt uns leichter, auch unter schwierigen Bedingungen offen und präsent zu bleiben.
Das wird sich auch auf unsere zwischenmenschliche Kommunikation auswirken. Wenn wir die Einsicht haben, dass wir verbunden sind, wird es leichter, sich selbst und andere und die Wünsche und Bedürfnisse (die eigenen wie die von anderen) zu respektieren. Achtsam zu bleiben, wenn wir uns provoziert fühlen und erst einmal unsere gewohnheitsmäßige Reaktion zu unterbrechen. Stattdessen „aus dem Herzen zu sprechen.“ Aber wer kennt das nicht, eben hatte ich noch gute Vorsätze und plötzlich höre ich mich eine urteilende oder aggressive Bemerkung machen! Aus dem Herzen zu sprechen braucht Übung. Und hier bietet sich gleich wieder eine Gelegenheit, bereit zu sein, Fehler zu machen und aus ihnen zu lernen… uns selbst und andere also mit unserer Unvollkommenheit liebevoll anzunehmen.
Pema Chödrön weist darauf hin, dass die „innere Arbeit einen tiefen Einfluss darauf hat, wie wir die äußere Welt wahrnehmen.“ Wenn wir andere sehr kritisch betrachten, werden wir uns schneller auch selbst angegriffen fühlen. Gehen wir liebevoller mit uns selbst um, erscheinen uns unsere Mitmenschen auch liebenswerter. Sie empfiehlt die „Praxis des offenen Gewahrseins,“ das heißt, wahrzunehmen ohne zu beurteilen. Sich dem Leben stellen mit offenen Sinnen, offenem Geist und offenem Herzen. Und „während wir üben, bewusst wahrzunehmen, dass wir die Dinge ständig benennen, sehen wir, wie sehr wir unsere eigene Realität erschaffen.“
Wenn wir uns darin üben, Dinge wahrzunehmen, wie sie sind, ohne sie zu beurteilen, befreien wir uns selbst von trügerischen Vorstellungen. Wir erfahren Leerheit. Ein Gefühl von Bodenlosigkeit wie wir es kennen aus schwierigen Zeiten von Krankheit, Verlust, Verzweiflung. Nicht dass wir solche Erfahrungen suchen würden. Wer aber akzeptiert, dass sie zum Leben dazugehören, kann sich ihnen leichter mutig stellen. Fortgeschrittene kämpfen nicht mehr an gegen solche Gefühle, sie kultivieren sie bei weniger dramatischen Gefühlen wie Langeweile, Einsamkeit, Unsicherheit, Ungewissheit,
Angst, Traurigkeit oder Sinnlosigkeit.
Letztlich geht es immer darum, wieder darum, zu verstehen, was ich wirklich bin anstatt dem Ego zu seine negativen Selbstzuschreibungen zu glauben: Wenn ich mich gerade träge fühle, mein „grundlegendes Gutsein“ anzuzweifeln und mich für einen trägen Menschen zu halten. Anstatt wahrzunehmen, dass die Trägheit auch wieder vorbeigeht. Es geht darum, die Wolken wahrzunehmen, die gerade die Sonne verdunkeln, ohne aber die Strahlkraft der Sonne in Zweifel zu ziehen! Unbequeme Gefühle „sanft anzusehen.“ „Leg den furchtsamen Geist in die Wiege der liebenden Güte (Shambhala-Spruch).“ Und sich mit den unangenehmen Gefühlen vertraut zu machen. Annehmen genügt, wir müssen sie nicht mögen! Und mit Humor geht alles leichter!
Pema Chödrön geht sogar so weit: „…man kann sogar mit Fug und Recht sagen, dass unsere eigene Haltung uns selbst gegenüber die Zukunft der Welt bestimmt. Ob sich Verwirrtheit und Aggression global ausbreiten oder Frieden und Harmonie stärker werden, hängt davon ab, welche Einstellung wir als Weltbewohner uns selbst gegenüber haben.“
Wer sich von diesen Gedanken angesprochen fühlt, dem gebe ich eine unbedingte Leseempfehlung! Dieses kleine Büchlein gehört zu denen, die mir so gut tun und die ich deshalb gern immer wieder zur Hand nehme. Pema Chödröns Texte empfinde ich als sehr verständlich, tiefgründig und immer wieder sehr inspirierend.