Die Weisheiten der alten Eule - Die Rotkohl-Therapie
© Praxis Der Zuhörer - Steffen Zöhl, 2020

Weihnachten 2020
Die Weisheiten der alten Eule - Die Rotkohl-Therapie

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Gute Nachrichten vom

In einer sehr alten Eiche lebte eine auch ziemlich alte Eule. Mit der Zeit konnte sie schlechter hören und sehen, aber die Tiere des Waldes gingen gern zu ihr, wenn sie Sorgen und Probleme hatten. Im Gespräch mit der alten Eule fanden viele Tiere ihre Lösungen und verstanden, was das eigentliche Thema war. Von einigen dieser Begebenheiten will ich berichten.

Die Rotkohl-Therapie

Der Herbst war angebrochen und es ging langsam auf die Weihnachtszeit zu. Alle waren noch emsig, bevor das Leben im Wald stiller und langsamer werden sollte. „Es ist schon eine ganze Weile her“, begann die Hirschkuh Philomena zu erzählen und die Waldkinder hörten ihr aufmerksam zu, „da ging ich zur alten Eule und bat sie um Hilfe. Ich war damals sehr unglücklich, schnell erschöpft und überfordert und oft verzweifelt. Die Eule hat mir geholfen ... mit der Rotkohl-Therapie.“ Die Kinder waren verblüfft: “Rotkohl-Therapie??? Was ist das denn? Davon haben wir ja noch nie gehört.“
Philomena lächelte: „Tja, bis dahin kannte ich die auch nicht. Es war der Anfang meines Weges. Heute lebe ich anders als damals und achte mehr auf mich. Als ich der weisen Eule damals mein Leid klagte, fragte sie mich, wer denn das wichtigste Wesen in meinem Leben sei. Ich antwortete damals sofort: ‘Mein Liebster - Silvius’. Sie sah mich kritisch an und erzählte mir dann die Geschichte vom guten Menschen. Ich habe sie danach noch mehrmals gelesen, bevor ich sie verstand. Dann wurde mir klar, dass ich etwas ändern musste. Eines Tages sprach ich mit der weisen Eule darüber, wie schwer es für mich war, etwas zu ändern und Zeit für mich zu finden.
So viele Aufgaben: das Essen für meinen Liebsten und mich zuzubereiten, das Nachtquartier sauber zu halten, die Kinder zu unterstützen, ihr eigenes Leben zu finden oder die Vorräte für den Winter anzulegen. Und in allem wollte ich gut sein und für die anderen da sein. Damals war ich wirklich sehr dünn, ich hatte kaum Zeit zu essen. Wobei das nicht ganz stimmt, das weiss ich heute: Ich habe mir nicht die Zeit dafür genommen.
Mit der Rotkohl-Therapie begann mein neues Leben. Als ich der weisen Eule erzählte, dass ich ja noch so viel an diesem Tag zu tun hätte und ich deshalb ja gar keine Zeit hätte, mein Leben zu verändern, fragte sie mich, was genau ich noch tun müsse. Ich sagte, ich müsste ja noch zum Biber, um etwas zugeschnittenes Holz für das Winterquartier der Kinder abzuholen, Moos aus dem Wald sammeln für das Nachtlager, die Wintervorräte auffüllen und Rotkohl vom Feld holen, da es sonst vielleicht nicht für das Abendessen reichte.
Die weise Eule schaute mich damals an und fragte: „Und was davon MUSST Du - und wirklich DU - und wirklich HEUTE erledigen?“ Ich war einen Moment sprachlos. So hatte ich noch nie darüber nachgedacht. Dann fragte die Eule: „Deine Kinder sind doch schon groß genug - warum holst Du das Holz für sie ab? Könnte nicht auch Dein Liebster das Moos auf seinem Heimweg mitbringen oder den Rotkohl und etwas für die Wintervorräte?“
„Nun“, entgegnete ich, „ich will ja auch weich schlafen und etwas essen, da kann ich dann auch Moos sammeln und Essen zubereiten. Und die Kinder können das noch nicht so gut mit dem Bau des Winterquartiers.“ Und wieder fragte die Eule: „Will Dein Liebster nicht ebenso weich schlafen und etwas essen? Wie sollen Deine Kinder es lernen, ihr Winterquartier selbst zu bauen, wenn sie es nicht versuchen?“
Bis zu diesen Fragen war es für mich ganz selbstverständlich gewesen, dass ich all diese Dinge übernehme. Ja, häufig hatte ich gespürt, wie sehr mich die vielen Aufgaben forderten und oft überforderten. Abends war ich dann so oft erschöpft und hatte keine Zeit und Kraft mehr für mich und Dinge, die mir Freude bereiteten. So wurde ich mit der Zeit immer unglücklicher.
„Vielleicht könntest Du die Wintervorräte auch morgen einlagern?“, fragte die Eule mich, „Was würdest Du noch heute für Dich tun, wenn Du Zeit dafür hättest?“ Nach kurzem Überlegen antwortete ich: “...die Bilder der Kinder sortieren und ins Album einkleben und dazu eine schöne Tasse Lindenblütentee“. Diese Vorstellung zauberte mir ein Lächeln ins Gesicht und doch kam im gleichen Moment der Gedanke in mir hoch: „ABER das geht ja gar nicht. Erstmal muss ich an die anderen denken. Und überhaupt muss ich mich beeilen und das Essen zubereiten. Wie sollte denn das möglich sein?“
Die Eule sah mein Lächeln und dann mein nachdenkliches Gesicht und sagte: „Ich sehe schon, Du brauchst etwas Zeit. Na dann schenke ich Dir etwas Zeit.“ Dann ging sie kurz in ihr Haus und kam mit einem Körbchen heraus, das mit einem Tuch zugedeckt war. „In diesem Körbchen ist die Zeit, die Du brauchst.“, lächelte sie verschmitzt. Wie sollte denn Zeit in einem Körbchen sein? Ich muss ziemlich ungläubig geschaut haben. „Ich schenke Dir diese Zeit in dem Körbchen, wenn Du versprichst, mit dieser geschenkten Zeit etwas für Dich zu tun.“, lächelte die Eule und zog das Tuch vom Körbchen. Darin befand sich ein Glas Rotkohl. Ich war so überrascht.
Die Eule lächelte sanft: „Nun, wo Du den Rotkohl hast, brauchst Du nicht mehr zum Feld, den Kohl putzen und kochen und hast Zeit.“ „Aber das kann ich doch nicht annehmen.“, warf ich sofort ein. Die weise Eule antwortete: “Beginne mit dieser Zeit heute und mach Deinen ersten, kleinen Schritt in ein neues Leben. Schenk Dir selbst Zeit, Achtsamkeit und Liebe, denn alles beginnt bei Dir. Für mich ist es nur ein Glas Rotkohl, für Dich der erste Schritt.“

„Schaut, das ist das Rotkohlglas, darin befinden sich viele kleine Zettel, auf denen ich all meine kleinen und großen Schritte und Erfolge notiert habe.“, fuhr Philomena fort.

Bei diesem letzten Satz hatte Philomena ein paar Tränen des Glücks in den Augen und erinnerte sich in Dankbarkeit, wie ihr neues Leben begann - mit der Rotkohl-Therapie.

© Praxis Der Zuhörer - Steffen Zöhl, 2020

 

Bilderquelle

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