Gott: Eine Geschichte der Menschen - Buchrezension

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Gute Nachrichten vom

Die Gestaltung dieses Buches mit dem Titel „Gott“ in Gold auf beigem Schutzumschlag hat mich sofort sehr angesprochen. Und ich finde nun, nachdem ich das mit großer Freude Buch gelesen habe, der Umschlag passt sehr zum Inhalt und auch zum Schreibstil von Reza Aslan. Er ist Religionswissenschaftler und lässt neben seinem Wissen auch noch etwas von seiner persönlichen Geschichte einfließen. Aufgewachsen als Muslim wendete er sich dem evangelikalen Christentum zu, konvertierte dann als Erwachsener wieder zum Islam und fand seine Heimat als „Pantheist“ bei den Sufis, einem mystischen Zweig des Islam.

Ich selbst spürte schon als Kind eine starke Sehnsucht nach dem Göttlichen. Aber in meinem christlichen Umfeld ich habe oft Tiefe und Freude in der alltäglichen Glaubenspraxis vermisst und mich auch mit anderen Glaubensrichtungen beschäftigt. Die religionswissenschaftlichen Erläuterungen Reza Aslans finde ich nun für mich sehr erhellend und relativierend. Er weckt Verständnis für unterschiedliche Religionsepochen und zeigt gerade auch durch seine Deutungen, auf welche ähnliche Weise Menschen von der Vorzeit bis heute ihre Sehnsucht nach dem Göttlichen lebten. Es wird deutlich, wie Glaube nicht nur als Machtinstrument missbraucht werden kann, sondern dass die Entwicklung und die Entstehung von Glaubensrichtungen immer auch politisch sind! Der Autor zeigt, wie religiöse Erfahrung eben auch ein kulturelles und soziales Phänomen ist! Ganz im Sinn seines Ausspruchs »Ich will Ihnen zeigen, woher Gott kommt«. Das ist ihm mehr als gelungen! Dafür bringt er religionswissenschaftliche Ergebnisse in verstehbare Zusammenhänge. Gleichzeitig zeigt er sehr viel von sich selbst, von seiner religiösen Sehnsucht, seiner Suche nach dem Göttlichen. Das tut er für mich auf sehr berührende, ja ich möchte sagen zärtliche Weise.

Dafür gliedert Reza Aslan sein Buch in drei Teile mit jeweils drei Kapiteln: 1. Die verkörperte Seele, 2. Der vermenschlichte Gott und 3. Was ist Gott.
Zuerst zeigt der Autor, dass die Tatsache, dass die Toten begraben wurden, ein Hinweis darauf ist, dass die Menschen glaubten, dass „die Seele unabhängig vom Körper existieren könne“ (S. 19). Auch seine Deutungen von Höhlenmalereien (mit Abbildungen, die das Verständnis erleichtern) empfinde ich als sehr berührend. Er spricht davon, dass nicht nur die Zeichnungen, sondern die Höhle selbst zum Teil spiritueller Erfahrung gemacht wurde: „Die Höhle wird zu einem Mythogramm. Sie soll gelesen werden wie man heilige Texte liest.“ (S.29) Das ist ein Beispiel dafür, wie genial Reza Aslan Leser*innen in Kontakt bringt mit der Spiritualität unserer Vorfahren.

Im Folgenden zeigt er, dass unsere Vorfahren „Adam und Eva ihre Sicht der Welt genauso ererbt haben wie ihr Jagdwissen oder ihre kognitiven und sprachlichen Fähigkeiten: allmählich im Lauf von Jahrhunderttausenden geistiger und spiritueller Evolution. Alles, was die Volp-Menschen wissen [Volp ist ein Fluss in Frankreich, an dem die am besten erhaltenen Höhlen aus der Steinzeit liegen], beruht auf dem Wissen früherer Generationen.“ (S. 39) …und ist eher nicht auf plötzliche Offenbarung zurückzuführen. Er beschreibt den Menschen als „Homo religiosus… weil uns ein existentielles Streben nach Transzendenz eigen ist.“ (S. 40) Was er auch als Produkt menschlicher Evolution sieht.

Reza Aslan zitiert verschiedene Religionskritiker: Freud, der der Ansicht war, der religiöse Glauben sei aus dem Wunsch geboren, die menschliche Hilflosigkeit erträglich zu machen (S. 49). Oder Feuerbach, der darauf hinwies, dass der Mensch alles, woran ihm selbst mangelt, auf ein Gottesbild projiziert (S. 50). Und er zitiert als Gegenargument den Anthropologen Clifford Geertz: „Die Religion hat den Menschen vermutlich immer ebenso viel Verdruss wie Freude bereitet.“ (S. 51)

Wir wissen es also nicht, wie und woraus der Glaube entstanden ist. Die kognitive Religionstheorie legt nahe, dass der Glaube an die Seele zum Glauben an Gott führte. D.h., nicht der Wunsch nach Sicherheit, Sinn oder Bewältigung von Gefühlen von Unsicherheit begründete religiöse Impulse.
„Ich möchte aber zeigen, wie aus diesem allgemein verbreiteten Glauben an die Seele das Konzept einer aktiv eingreifenden göttlichen Gegenwart entstand, die treibende Kraft hinter der gesamten Schöpfung ist; … wie sie mit menschlichen Charakterzügen und Gefühlen ausgestattet und letztlich in tausend verschiedene Gestalten gegossen wurde… und wie, nach vielen Jahren und unter großen Schwierigkeiten, an dieser Stelle dieser tausend individualisierten Gottheiten schließlich jene eine göttliche Persönlichkeit trat, die wir heute als Gott kennen.“ (S. 67)

Im Folgenden wird beschrieben, wie sich das Sesshaftwerden der Menschen und die Entwicklung von Landwirtschaft auf das Leben und die Religiosität auswirkten, denn dadurch veränderte sich die Beziehung zwischen Mensch, Tier und Umwelt. „Zum ersten Mal in unserer Evolution verstanden wir uns nicht mehr einfach als Teil des Universums, sondern als dessen Mittelpunkt.“ (S. 85). Es entwickelten sich Götterwelten, in denen es für jede menschliche Eigenschaft, für gute wie schlechte, eine Gottheit gab. Oder die Entwicklung der Schrift ermöglichte es den Menschen zum ersten Mal, abstrakte Gedanken, Geschichten und Mythen aufzuschreiben. „Durch die Erfindung der Schrift nahm der tief in unseren kognitiven Prozessen verwurzelte und am Göbekli Tepe [prähistorischer Fundort in der Türkei] noch recht primitiv zum Ausdruck gekommene Drang, das Göttliche zu vermenschlichen, klarere und realere Formen an. (S. 94).

Von der Götterwelt, die schon langsam unübersichtlich wurde, bereitete Echnaton, der ‚ketzerische Pharao‘ und Ehemann von Nofretete, nach einem Bekehrungserlebnis den Weg zur Anbetung eines einzigen Gottes. Er wollte mit Gewalt seinem Königreich seine monotheistische Vision aufzwingen. Aber seine Religion starb mit ihm und wurde nach seinem Tod zur Ketzerei erklärt.
Etwas mehr als zweihundert Jahre später hatte Zarathustra, Angehöriger der iranischen Priesterkaste, eine monotheistische Vision von der Gottheit Ahura Mazda, die erfahrbar war „…ausschließlich durch sechs göttliche ‚Anrufungen‘, die sie aus sich heraus in die Welt gebracht hatte: Weisheit, Wahrheit, Macht, Liebe, Einheit und Unsterblichkeit. Dabei handelt es sich weniger um Ahura Mazdas Eigenschaften als um die sechs Substanzen, aus denen sich seine Essenz zusammensetzt. Sie sind, anders ausgedrückt, die Widerspiegelungen Ahura Mazdas in der Welt.“ (S.119)
Reza Aslan sieht darin einen Wendepunkt in der Religionsgeschichte, weil sie eine neue Beziehung zwischen Gott und Mensch begründete. Zarathustra erlebte eine Begegnung mit Ahura Mazda und empfing von ihm eine Offenbarung, die er aufschrieb. Dadurch wurde er zum ersten Propheten. Zu seinen Lebzeiten fand seine Religion wenig Anklang. Sie wurde aber umgestaltet und im 6. Jahrhundert als Staatsreligion wiederbelebt. Kyros der Große machte aus dem zarathustrischen Monotheismus, dem Glauben an einen Gott, der die gegensätzlichen Kräfte von Gut und Böse vereinte, den zoroastrischen Dualismus, in dem zwei Götter um die Seele des Menschen kämpfen. Das war also zum zweiten Mal das Ende des Monotheismus.

Erst als der „Gott Abrahams, El, und der Gott Moses, Jahwe, allmählich zu der einen Gottheit verschmolzen, die wir heute als Gott kennen“ (S. 145), können wir von einer dauerhaft monotheistischen Spiritualität sprechen. Vorher war Jahwe der beste, der stärkste oder der höchste Gott im Universum. Aber als die Israeliten von den Babyloniern aus dem von ihrem Gott verheißenen Land vertrieben wurden, mussten sie ihre Geschichte neu deuten und ihre religiöse Ideologie neu überdenken, um dieser traumatischen Erfahrung einen neuen Sinn zu geben. Zu dieser Zeit waren ein Volksstamm und sein Gott eine Einheit. Erlebte das Volk eine Niederlage, so galt das auch für ihren Gott. Also schufen sie einen monotheistischen, rachsüchtigen Gott als Lösung, um ihre Identität als Volk nicht aufgeben zu müssen. Das war dann die Geburt des Judentums!

Für den Beginn des Christentums zitiert Reza Aslan den Beginn des Johannesevangeliums, „am Anfang war der Logos“ (Johannes 1,1). Er weist darauf hin, dass Logos nicht nur mit ‚Wort‘ übersetzt werden kann, sondern eher mit ‚Vernunft‘ oder ‚Logik‘. „Für die Griechen war der Logos die dem Universum zugrundeliegende Kraft. Er ist, mit anderen Worten, göttliche Vernunft – der Verstand hinter der Schöpfung. Der Logos ist das, was Xenophanes, Pythagoras und Platon meinten, wenn sie über den „einen Gott“ als das singuläre, alles vereinende Prinzip sprachen, das die Schöpfung steuert (S.154). „Tatsächlich besteht der ganze Zweck von Johannes‘ Evangelium darin darzulegen, wie die abstrakte, ewige, göttliche Essenz der Schöpfung, die zugleich von Gott getrennt und mit Gott eins ist, sich auf der Erde in der Gestalt Jesu Christi manifestierte: ‚Und der Logos ist Fleisch geworden und hat unter uns gewohnt.‘ (Johannes 1, 14)“ (S. 155)
Dieses Konzept vom Gott-Mensch war den Menschen vertraut. Sie vergöttlichten ja auch schon ihre Kaiser. Oder in der griechischen Theologie gab es keine Trennung von Göttern und Menschen. Die Helden wurden oft als Belohnung in den göttlichen Rang erhoben. Das Judentum war praktisch die einzige Religion, „in der es keine feste Tradition gab, Menschen zu vergöttlichen.“ (S. 157) Das Besondere war, dass „Jesus als die alleinige menschliche Manifestation des einzigen Gottes betrachtet“ wurde. (S. 159)
Aber um die Person Jesu – war er wie Gott oder nur ähnlich – gab es viele theologische Auseinandersetzungen. Sie wurden aufgelöst mit dem Konzept der Dreieinigkeit: “Gott ist eins. Gott ist ewig und unveränderlich. Dennoch existiert Gott in drei Gestalten: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Und diese sind gleichrangig, keine ist einer anderen untergeordnet. Alle drei sind gleichermaßen göttlich Und alle drei existieren seit Anbeginn der Zeiten.“ (S. 171)

Mohammed sah in Allah den einzigen Gott des Universums. Er „betrachtete Jahwe und Allah als ein und denselben Gott. “ (S. 181) Das war in Arabien ein Angriff auf die bekannten Götter. Einige Historiker sind der Ansicht, anfangs sei der Islam eine jüdische Sekte gewesen, weil er die jüdischen Mythen und Propheten anerkannte und mit dem jüdischen Brauchtum so vertraut war. Nach der christlichen Idee der Dreieinigkeit betonter er die Einzigartigkeit Gottes und das Einssein von Gott in seiner Gestalt und Natur. Damit und auch mit dem Verbot, Bilder von Gott zu schaffen, beendete er die Vermenschlichung Gottes. Im Sufismus, einem Zweig islamischer Mystik, entstand der neue Glaube an einen einzigen Gott, der nicht nur Schöpfer von allem ist, sondern „Gott ist alles, was existiert.“ (S. 191)

Im letzten, persönlichen Teil des Buches schreibt der Autor darüber, dass Studien zur kindlichen Kognition zeigen konnten, dass Kindern instinktiv glauben, dass sie neben dem Körper eine Seele haben. Wenn man so will, sind Kinder gläubig von Geburt an.
Und wir wissen nicht, ob die Schöpfung ohne weiteren Sinn entstanden ist oder ob sie ein Zeichen dafür ist, dass alle Seelen verbunden sind. Reza Aslan schreibt, dass er im Sufismus seine Heimat fand: „Ich habe den größten Teil meines spirituellen Lebens mit dem Versuch verbracht, durch Glauben, Wissenschaft… eine Kluft zu überbrücken, die vermeintlich zwischen Gott und mir existiert. Heute bin ich überzeugt, dass diese Kluft gar nicht besteht, denn zwischen uns gibt es keine Trennung. Ich bin, in der Tiefe meines Wesens, Gott in manifestierter Form. Wir alle sind es.“ (S. 197)

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